Doch es ist Vorsicht geboten: Denn wenn nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte das Testament ändert, führt dies oft zum Streit in der Familie. Dass solche Fälle häufig vor Gericht landen, weiß auch Notarassessorin Dr. Katharina Hermannstaller von der Landesnotarkammer Bayern. „Immer wieder erleben wir, dass der überlebende Ehegatte in die Bindungsfalle getappt ist“.
Denn gelegentlich kommt es vor, dass nach dem Tod eines verwitweten Erblassers neben einem älteren Berliner Testament, das der Erblasser mit seinem verstorbenen Ehegatten errichtet hatte, ein weiteres Testament auftaucht. Dieses Einzeltestament ist nicht selten neuer und sieht eine geänderte Erbfolge vor. Dann stellt sich die Frage, ob die in dem Einzeltestament getroffenen Verfügungen – wie etwa die Erbeinsetzung der Kinder aus zweiter Ehe oder des neuen Ehegatten – überhaupt wirksam sind.
„In der Regel haben die in dem jüngeren Testament benannten Erben das Nachsehen und gehen leer aus“, weiß Dr. Hermannstaller. Zwar gilt im deutschen Erbrecht der Grundsatz der Testierfreiheit, d.h. der Erblasser kann grundsätzlich frei über die Verteilung seines Nachlasses entscheiden. Die Testierfreiheit findet aber dort ihre Grenzen, wo sich der Einzelne – etwa in einem gemeinschaftlichen Testament – bereits wirksam gebunden hat. Dann ist der Erblasser unter Umständen daran gehindert, zu einem späteren Zeitpunkt eine den geänderten Lebensverhältnissen entsprechende Regelung seines Nachlasses zu treffen.
Angesprochen ist damit die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen. Das sind all jene Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen sein würde. Das können zum Beispiel die gegenseitige Erbeneinsetzung der Ehegatten und auch die Einsetzung der gemeinsamen Kinder zu Schlusserben sein. „Wechselbezügliche Verfügungen können zu Lebzeiten der Ehegatten einseitig nur durch notariell beurkundete Erklärung widerrufen werden“, erläutert Dr. Hermannstaller. „Mit dem Tod eines Ehepartners ist der andere Ehegatte daran gehindert, wechselbezügliche Verfügungen zu widerrufen oder abweichend hiervon letztwillig neu zu verfügen. Man spricht deshalb auch von der Bindungsfalle des Berliner Testaments“.
Ist der überlebende Ehegatte in dem gemeinschaftlichen Testament nicht ausdrücklich dazu ermächtigt worden, eine anderweitigen Regelung zu treffen, sind ihm die Hände gebunden. Es sei denn er schlägt das Erbe aus.
„Bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments sollte man sich deshalb unbedingt fachkundig beraten lassen“, empfiehlt Dr. Hermannstaller. Jeder Notar wird zunächst die individuellen Bedürfnisse und Wünsche klären, auf unbeabsichtigte Folgen hinweisen und gegebenenfalls über alternative Gestaltungsoptionen wie den Erbvertrag informieren. In einem Erbvertrag kann beispielsweise in weitem Umfang auch eine spätere einseitige Änderung der Verfügungen vorgesehen werden, sofern eine Bindungswirkung gerade nicht gewünscht wird. Darüber hinaus erlaubt der Erbvertrag die Verbindung mit anderen vertraglichen Regelungen (z.B. Ehevertrag, Unterhalt, Verpflegung des Erblassers). Er ist damit ein äußerst flexibles und individuelles Instrument, mit dem die Erbfolge optimal an die Wünsche der Erblasser angepasst werden kann.